Ort

Galerie erstererster
Pappelallee 69, 10437 Berlin

Zeitraum

02. – 06. Oktober 2024

Programm

Öffnungszeiten: Mi – So 12 – 19 Uhr
Vernissage: 02.10.2024, 19 Uhr
Führung: Donnerstag, 03.10., 14 Uhr
Führung: Samstag, 05.10., 15 Uhr (Führung für Alle – in einfacher Sprache)
Führung: Sonntag, 06.10., 16 Uhr  (Führung für Alle  – in einfacher Sprache mit Hörbeschreibung)

Die Teilnahme am Rahmenprogramm ist kostenfrei.

Künstler:innen

Minh Kha Le
Corinna J. Duschl
Dana László da Costa
Ren Han
Lukas Liese

Rund um das Thema „Hitze“ drehen sich die Werke, die artburst berlin e.V. vom 2. bis 6. Oktober in der Galerie erstererster in Berlin Prenzlauer Berg zeigt. Das Projekt „Hitze“ ist als Doppelausstellung angelegt: Während der Fokus der Herbstausstellung „brennen glühen flirren“ auf den Ursachen und Erscheinungsformen von Hitze liegt, soll es daran anknüpfend in der zweiten Schau im Frühjahr 2025 um den Umgang mit Hitze und ihre Folgen gehen (genaue Daten werden noch bekannt gegeben). So vielfältig die Assoziationen zum Schlagwort „Hitze“ sind, so vielfältig waren auch die Einsendungen, die uns als Antwort auf unseren Open Call erreichten. Wir freuen uns, mit Corinna J. Duschl, Ren Han, Dana László da Costa, Lukas Liese und Minh Kha Le fünf ausgewählte Positionen vorstellen zu dürfen, die das Thema „Hitze“ aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchten.

In den Gemälden von Minh Kha Le wuchern Flammen wie Gewächse, abstrakte Formen fallen ineinander und übereinander her. Gelegentlich blitzt ein Stück unbemalt belassene Leinwand heraus. Doch die Leerstellen schenken keine Pause zum Aufatmen, sondern hängen wie Stolperfallen im Bild. Es sind kleine Inseln, die vielleicht bereits verzehrt oder aber verschont geblieben sind. Die changierenden Formen und Farben nehmen organische Züge an – mal wie fliehende Tiere erscheinend, mal wie spitze Feuerzungen, sind Opfer und Auslöser des Spektakels kaum zu unterscheiden. Gegenüber Minh Kha Les expressiven Pinselstrichen wirken die „Disaster Landscapes“ von Ren Han kühl und beherrscht. Für die in der Ausstellung gezeigten Arbeiten schuf der Künstler mithilfe einer Laubsäge filigrane Schraffuren auf violettem Kohlepapier – einem Material, das lange als Farbträger für Druckprodukte genutzt wurde, heute jedoch meist nur noch als Durchpauspapier verwendet wird. Doch statt mit Druckplatten zu arbeiten, macht Ren Han das Kohlepapier selbst zum Bildträger. Das Durchschlagpapier, einst verwendet für die mechanische Vervielfältigung von Texten, ist Relikt einer prä-digitalisierten Welt, aber auch ein Vorbote des Informationszeitalters. Bei den Bildern, die Ren Han in die Oberfläche kratzt, handelt es sich um abstrahierte Darstellungen von Vulkanausbrüchen. Als nach wie vor vom Menschen nicht kontrollierbare Naturkatastrophen, werden sie bei Ren Han zum Symbol für das Spannungsverhältnis zwischen Natur und Technologie, Heilsbringer und unbändiger Gewalt.

Um Naturkatastrophen und Klimaerwärmung geht es auch bei Bildhauer Lukas Liese, jedoch eher sekundär. In seiner Arbeit „Cousin Maria (Heat)“ verhandelt er die Beziehung zu seiner in den USA lebenden Verwandten, deren Radikalisierung zur Klimaleugnerin er auf Social Media über mehrere Jahre hinweg verfolgte. Liese, der traditionell mit Marmor arbeitet, bedient sich auch für diese Arbeit wieder des kunsthistorisch aufgeladenen Materials. Mal als interessierter Beobachter, mal als Diskussionspartner verfolgt er die oft widersprüchlichen Posts der Cousine, die zum einen nicht an den Klimawandel glaubt, andererseits aber online Mitleid mit den von Naturkatastrophen Betroffenen bekundet. Sinnbildlich für die „hitzigen“ Auseinandersetzungen wird die Steinplatte von hinten beheizt. Als Kontrast zum sonst mit Kühle assoziierten Material Marmor strahlt die graue Fläche Wärme aus; der visuelle Schein trügt, es entsteht eine kognitive Dissonanz. Bei Corinna J. Duschl ist die Verwandtschaft, im Titel ihres Werks „Kindling“ durch den englischen Begriff „kin“ benannt, hingegen durch und durch liebevoll. Aus Bienenwachs hat sie ein Paar Goldohrringe, die ihre Großmutter ihr vermacht hat, nachgeformt. Vervielfältigt und in unterschiedlichen Konstellationen zusammengesetzt, entstanden aus den kleinen runden Elementen Wachskerzen, die im Ausstellungsraum langsam abbrennen. Duschl verhandelt mit dem Werk, wie Oma und Enkelin die Goldohrringe auf gegensätzliche Weise mit Wert aufladen: Während der Schmuck sich für erstere gerade durch seinen Materialwert als vererbbar qualifiziert, ist dieser der Beschenkten völlig egal – ihr geht es allein um den emotionalen Wert des Kleinods, die Erinnerung an einen geliebten Menschen.

Die eingefärbte, schwere Wollarbeit von Dana László da Costa, die fünfte Position in der Ausstellung, vermittelt nicht nur auf sensorischer Ebene ein Gefühl von Hitze: Die aus Brasilien stammende Künstlerin verwendete für ihr Werk „Ibirapitanga“ (aus den Tupí-Guaraní-Sprachen: ‚roter Baum‘) ein pflanzliches Farbpigment, das aus dem dort heimischen ‚Pau-Brasil‘ gewonnen wird – dem Baum, der dem Land einst seinen Namen gab. Infolge der Eroberung durch Portugal, was die Ausbeutung natürlicher Ressourcen und den Abbau des wertvollen Brasilienholzes mit sich brachte, ist die Pflanze, die so zentral für das Selbstverständnis Brasiliens ist, heute eine bedrohte Art. Extraktivismus und Landraub zerstören seit der Kolonisierung des amerikanischen Kontinents die einzigartige und für das Überleben des Planeten notwendige Flora.

Mit den Schwerpunktsetzungen in den zwei Ausstellungen 2024 und 2025 und der Gegenüberstellung von künstlerischen Arbeiten, die sich in ihrer Essenz und Erscheinung teils stark voneinander unterscheiden, möchten wir die unterschiedlichen Konnotationen, Folgen und Bedeutungsebenen des Phänomens sowie des Begriffs „Hitze“ verdeutlichen. So treten etwa als Folge des Klimawandels nicht nur Waldbrände gehäuft auf, sondern auch Überschwemmungen und Orkane. Und wenn es zwischen zwei Menschen „heiß“ wird, kann das an sexueller Anziehung oder aber an tiefer Abneigung liegen. Das drückt sich sprachlich darin aus, dass wir jemanden, den oder die wir attraktiv finden, als „hot“ bezeichnen, oder bei einem Streit euphemistisch von einer „hitzigen Diskussion“ sprechen. Diese Widersprüchlichkeit in der menschlichen Wahrnehmung von Hitze wird in der Ausstellung in der Galerie erstererster in Berlin Prenzlauer Berg zum verbindenden Element.